Eine Stammzelltherapie bei Herzinfarktpatienten bringt nicht den gewünschten Erfolg. Das könnte daran liegen, dass die Stammzellen kranker Patienten in ihrer Funktion so gestört sind, dass sie den kranken Herzmuskel nicht reparieren können. Das ist das Ergebnis von zwei Studien, die Kardiologen des UniversitätsSpitals Zürich unlängst präsentierten.
Die SWISS AMI-Studie, deren Ergebnisse soeben auf der Jahrestagung der American Heart Association in Los Angeles von Prof. Roberto Corti, Leiter des Andreas-Grüntzig-Herzathterlabors der Klinik für Kardiologie am UniversitätsSpital Zürich, und Dr. Daniel Sürder von der Fondazione Cardiocentro Ticino in Lugano vorgestellt wurden, sollte klären, ob die frühe oder späte Gabe von Stammzellen nach einem Infarkt eine bessere Wirkung auf die Pumpleistung des Herzens hat. Insgesamt wurden 200 Patienten in die Studie eingeschlossen. Ihnen wurden körpereigene Stammzellen aus dem Knochenmark entnommen, die im Labor isoliert und konzentriert wurden.
Per Losverfahren wurden die Patienten in drei Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe erhielt keine Stammzellen, wurde aber sonst nach allen Regeln der ärztlichen Kunst behandelt. Die zwei anderen Gruppen wurden entweder fünf bis sieben Tage oder drei bis vier Wochen nach ihrem Herzinfarkt mit Zellen behandelt, welche direkt in das betroffene Herzkranzgefäss verabreicht wurden. Bei allen Patienten wurden in den ersten Tagen nach dem Infarkt mit einem Kernspintomogramm (MRI) des Herzens die Herzleistung und Infarktgrösse gemessen. Die Untersuchung wurde nach vier und zwölf Monaten wiederholt.
Nach vier Monaten hatte sich die Herzleistung der Kontrollgruppe leicht verschlechtert, während sie sich bei der mit Stammzellen behandelten Patienten-Gruppe leicht verbesserte. Die Wirkung der Zelltherapie war jedoch mit 2% deutlich geringer als erhofft und statistisch nicht signifikant. Lediglich eine Subgruppe hatte einen relevanten Therapieerfolg zu verzeichnen. Sie setzte sich aus Patienten zusammen, bei denen das verschlossene Herzkranzgefäss sehr schnell wieder eröffnet werden konnte. «Eigentlich hatten wir mit besseren Resultaten gerechnet», sagt Roberto Corti.
Tierversuche und erste Studien am Menschen hätten vielversprechende Ergebnisse gezeigt. «Ob die Stammzellen die Herzerweiterung verhindern können, die nach einem Infarkt auftritt, können wir aber erst sagen, wenn wir die Daten der ersten zwölf Monate ausgewertet haben», sagt Prof. Lüscher, Direktor der Klinik für Kardiologie am UniversitätsSpital Zürich.
Die SWISS AMI-Studie ist die erste schweizerische Stammzell-Studie. Sie wird gemeinsam durchgeführt vom UniversitätsSpital Zürich, dem Cardiocentro Ticino, dem Inselspital Bern und dem Luzerner Kantonsspital.
Eine Erklärung für die unerwartet schlechten Resultate der Stammzelltherapie liefert eine zweite Studie eines interdisziplinären Forschungsteams unter der Leitung von Dr. Philipp Jakob von der Universität Zürich und Prof. Ulf Landmesser von der Kardiologie des UniversitätsSpitals Zürich. Die Studie, die soeben im Fachblatt «Circulation» veröffentlicht wurde, untersuchte die Reparaturfähigkeit von aus dem Knochenmark mobilisierten Stammzellen von Herzinfarktpatienten und von gesunden Probanden.
Die Zellen injizierten die Forscher in das Infarktgebiet des Herzmuskels von Mäusen. Wie erwartet, konnten die gesunden Zellen die Bildung neuer Gefässe anregen, was zu einer verbesserten Durchblutung des Herzmuskels und in der Folge zu einer verbesserten Herzfunktion führt. Die Stammzellen kranker Patienten waren dazu nicht in der Lage. «Stammzellen kranker Patienten haben ihre regenerative Fähigkeit verloren», sagt Prof. Ulf Landmesser vom UniversitätsSpital Zürich. Nun müsse man Wege finden, um die Reparaturfähigkeit dieser Zellen vor einer Therapie zu verbessern. Erste Ideen dazu existierten bereits.
Literaturhinweise:
Philipp Jakob et al: Loss of AngiomiR-126 and 130a in Angiogenic Early Outgrowth Cells from Patients with Chronic Heart Failure: Role for Impaired in vivo Neovascularization and Cardiac Repair Capacity (Circulation. 2012 Nov7.)
Daniel Sürder et al: Intracoronary injection of bone marrow derived mononuclear cells early or late after acute myocardial infarction: Effects on global LV-function – Four months results of the SWISS-AMI trial. Late-Breaking Clinical Trial Session at the American Heart Association, Los Angeles, USA, November 12, 2012
Ansprechpartner für Fragen:
Prof. Dr. med. Thomas F. Lüscher
Direktor der Klinik für Kardiologie des UniversitätsSpitals Zürich
Tel.: +41 44 255 21 21; thomas.luescher@usz.ch
Prof. Dr. med. Ulf Landmesser
Leitender Arzt der Klinik für Kardiologie des UniversitätsSpitals Zürich
Tel.: +41 44 255 95 95; ulf.landmesser@usz.ch