Überblick: Was ist Atemnot?
Die Atemnot, ein Symptom, welches bei vielen Krankheiten vorkommen kann, ist das beängstigende Gefühl nicht genug Luft zu bekommen. Die Beschwerde signalisiert die Differenz zwischen der Möglichkeit zu atmen und dem Bedarf an Atem. Wird dieser Bedarf nicht erfüllt, entsteht eine Art Alarmzustand des Körpers, den jeder Mensch als unterschiedlich bedrohlich wahrnimmt.
Die Atemnot wird medizinisch ,,Dyspnoe‘‘ genannt. Es gibt mehrere Formen. Zum Beispiel:
- Belastungsdyspnoe: Atemnot unter körperlichen Belastung
- Sprechdyspnoe: Atemnot beim Sprechen
- Ruhedyspnoe: Atemnot in Ruhe, ohne körperliche Anstrengung
- Orthopnoe: Atemnot, die den Betroffenen zum aufrechten Sitzen zwingt
Darüber hinaus unterscheiden wir die akute von der chronischen Dyspnoe. Die akute Dyspnoe tritt plötzlich auf, innerhalb von Minuten oder Stunden und ist zum Beipsiel typisch für einen Asthmaanfall oder eine Lungenembolie, kann aber auch bei vielen anderen Krankheiten vorkommen. Die chronische Dyspnoe entwickelt sich langsam, über Wochen oder Monate und zeichnet Erkrankungen wie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, eine Herzinsuffizienz oder eine pulmonale Hypertonie aus, kommt aber ebenfall bei verschiedenen Krankheiten vor.
Häufigkeit: Viele Menschen leiden unter Atemnot
Atemnot ist ein häufiges Symptom mit unterschiedlichem Krankheits-Hintergrund. Die häufigsten Ursachen von Atemnot, bei denen der Rettungsdienst gerufen wird, die in der Notaufnahme oder in der Hausarztpraxis auftreten, sind:
- Lungen- und Atemwegsentzündungen
- Asthma bronchiale
- die chronisch obstruktive Lungenerkrankung
- akutes Herzversagen
Bei psychischer Belastung
Jede körperliche Erkrankung kann auch mit psychischen Belastungen verbunden sein. Diese kann sich unter anderem in Sorgen, Anspannung, Gedankenkreisen oder Schlafstörungen zeigen und den Behandlungsverlauf erschweren. Falls Sie oder Ihre Angehörigen den Wunsch nach psychiatrisch-psychologischer Beratung und Unterstützung haben, stehen Ihnen unsere Fachleute im USZ gerne zur Verfügung.
Ursachen und Risikofaktoren: Herz-, Lungen- und Systemerkrankungen
Atemnot ist ein komplexes Symptom, welches durch eine erhöhte Atemarbeit, einen zu stark veränderten Kohlendioxidgehalt im Blut, durch die Blut- und Gewebehypoxie oder andere physiologische Veränderungen ausgelöst werden kann. Atemnot kann auch als Reflex erscheinen, zum Beispiel bei starken Schmerzen, oder aber psychisch bedingt sein bei großem Stress und anderen seelischen Belastungen.
Atemnot bei COVID-19
Schwere Atemnot ist auch ein Symptom der COVID-19 Erkrankung, die im Jahre 2020 weltweit ausgebrochen ist und eine Pandemie ausgelöst hat. Die Erkrankung wird vom Coronavirus SARS-CoV-2 verursacht, ein hoch ansteckendes Virus. Das Virus wurde erstmals im Jahr 2019 in China identifiziert. Es verbreitet sich primär durch Tröpfcheninfektion. Nach einer Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen äussert sich die Infektion mit Fieber, trockenem Husten und anderen unspezifischen Symptomen. Die meisten Menschen erkranken leicht. Im weiteren Verlauf kann sich jedoch bei einigen Betroffenen eine schwere Atemnot aufgrund einer lebensbedrohlichen Lungenentzündung entwickeln. Letztere müssen intensivmedizinisch behandelt und beatmet werden.
Symptome: Die Luft bleibt weg
Die Atemnot ist erkennbar durch:
- erhöhte Atemfrequenz
- tiefere Atemzüge
- Einsatz der Atemhilfsmuskulatur
- Zyanose (bläuliche Verfärbung der Haut, der Schleimhäute, der Lippen und der Fingernägel) wegen Sauerstoffmangel
- Erhöhte Herzfrequenz
Die normale Atemfrequenz ist abhängig vom Lebensalter. In Ruhe beträgt sie normalerweise:
- beim Neugeborenen etwa 40 bis 45 Atemzüge pro Minute
- beim Säugling etwa 35 bis 40 Atemzüge pro Minute
- beim Kleinkind etwa 20 bis 30 Atemzüge pro Minute
- beim Kind etwa 16 bis 25 Atemzüge pro Minute
- beim Erwachsenen etwa zwölf bis 18 Atemzüge pro Minute
Weitere Beschwerden begleiten oft die Atemnot, wie zum Beispiel:
- Engegefühl im Brustkorb
- Schwindel oder Übelkeit
- Angst oder sogar Panik
Einschätzung des Schweregrades der Atemnot
Atemnot kann harmlos oder aber lebensbedrohlich sein. Wichtig ist, den Schweregrad der Beschwerde richtig einzuschätzen. Wir nutzen hier folgende Klassifikationen:
Stadien Einteilung nach NYHA (New York Heart Association) Klassifikation der Dyspnoe
- NYHA I: (Herz-) Erkrankung ohne körperliche Limitation. Die alltägliche körperliche Belastung verursacht keine übermässige Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris.
- NYHA II: (Herz-) Erkrankung mit leichter Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Keine Beschwerden in Ruhe. Alltägliche körperliche Belastung verursacht Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris.
- NYHA III: (Herz-) Erkrankung mit hochgradiger Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei gewohnter Tätigkeit. Keine Beschwerden in Ruhe. Geringe körperliche Belastung verursacht Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris.
- NYHA IV: (Herz-) Erkrankung mit Beschwerden bei allen körperlichen Aktivitäten sowie in Ruhe. Bettlägerigkeit.
Borg-Skala: Bewertungsverfahren zur Einteilung des Schweregrads der Dyspnoe bei Belastung
Mit der Borg-Skala lässt sich das individuelle Anstrengungsempfinden während der körperlichen Belastung bestimmen. Der bei der Belastung angegebene RPE-Wert (Received Perception of Exertion) basiert auf der Annahme, dass das Anstrengungsempfinden mit der Herzfrequenz zusammenhängt. Folgende Formel wird zu diesem Zweck genutzt:
RPE = Herzfrequenz x 0.1
Da in der Regel die Ruheherzschlagfrequenz bei ungefähr 60 Schlägen pro Minute liegt, beginnt die Borg Skala bei 6, was den 60 Schlägen pro Minute entspricht. Die maximale Herzschlagfrequenz liegt bei gesunden Menschen meist bei ungefähr 200 Schlägen pro Minute. Deswegen endet die Borg Skala bei 20.
RPE-Wert |
Belastungsempfinden |
6 |
Überhaupt nicht anstrengend |
7 |
Sehr sehr leicht |
8 |
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9 |
Sehr leicht |
10 |
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11 |
Leicht |
12 |
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13 |
Etwas anstrengend |
14 |
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15 |
Anstrengend |
16 |
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17 |
sehr anstrengend |
18 |
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19 |
Extrem anstrengend |
20 |
Maximal anstrengend |
Diagnose: Komplex und vielschichtig, je nach Ursache
Für die Diagnose der Atemnot ist eine gründliche Anamnese, das heisst die Befragung der Begleitsymptome und Vorerkrankungen in Kombination mit einer körperlichen Untersuchung entscheidend. Anschliessend werden gezielte weiterführende Untersuchungen gemacht. Wir werden Ihnen folgende Fragen stellen:
- Leiden Sie unter Lungen-, Herz-, oder weiteren Erkrankungen, wie zum Beispiel Allergien?
- Nehmen Sie Medikamente ein?
- Wann genau haben Sie Atembeschwerden? Nach körperlicher Belastung oder in Ruhe? Während des Tages oder in der Nacht?
- Haben Sie zusätzliche Symptome? Husten? Fieber? Schmerzen?
- Rauchen Sie? Wieviel?
Die körperliche Untersuchung beinhaltet unter anderen das Abhorchen von Herz und Lunge. Folgende Untersuchungen sind hilfreich, um die Ursache der Atemnot herauszufinden:
- Blutuntersuchungen: Sie dienen primär dem Nachweis einer Infektion der Atemwege und sind nur in absoluten Spezialfällen bei Atemnot nötig. Blutuntersuchungen zeigen auch den Zustand von Nieren und Leber sowie den Status der Blutproduktion, der Blutgerinnung, der Blutsalze und des Blutzuckers.
- Röntgenaufnahme der Lunge: Dieses bildgebende Verfahren zeigt, ob es sichtbare Veränderungen des Lungenparenchyms gibt.
- Lungenfunktionsprüfungen, wie zum Beispiel die Spirometrie und die Ganzkörperplethysmographie: Anhand von Messungen des Atemvolumens und des Luftstroms beim Atmen können wir die Lungenfunktion beurteilen.
- Belastungstests: Wie zum Beispiel der 6-Minuten-Gehtest oder der Fahrradergometer-Test. Diese sind äusserst wichtig zur Erkennung der Ursache der Atemnot und zur Verlaufsbeurteilung
- Blutgasanalyse: Das ist die Messung des Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalts im sauerstoffreichen, arteriellen Blut.
- Bronchoskopie und Biopsie: Die Spiegelungder Bronchien ermöglicht die Darstellung der Schleimhäute in Luftröhre und Bronchien sowie die Entnahme von Gewebeproben zur feingeweblichen Untersuchung im Labor.
- Laryngoskopie: Die Spiegelung des Kehlkopfs ermöglicht einen Blick in den Rachen, um festzustellen, ob dort Veränderungen sichtbar sind.
- Elektrokardiogramm: Es dient der Aufzeichnung der elektrischen Aktivität des Herzens und offenbart, ob es in diesem Rahmen Störungen gibt.
- Echokardiographie: Die Ultraschalluntersuchung des Herzens ist die wichtigste nichtinvasive, bildgebende Untersuchung in der Kardiologie. Sie offenbart funktionelle und strukturelle Probleme des Herzens, wie zum Beispiel die Dimensionen jeder Herzkammer und die Funktionsfähigkeit jeder Herzklappe.
- Allergietests und inhalativer Provokationstest: Es handelt sich meistens um Hauttests, die das auslösende Allergen offenbaren. Bei einem inhalativen Provokationstest wird das verdächtige Allergen eingeatmet, so dass festgestellt werden kann, ob es die Allergie auslöst.
- Computertomografie (CT) des Brustkorbs: Diese Methode erlaubt eine überlagerungsfreie Darstellung der Atemwege und des Lungenparenchyms. Viele Diagnosen werden anhand der CT gestellt. (LINK UPDATEN)
- Ventilations-/ Perfusionsszintigraphie: Das ist ein nuklearmedizinisches Verfahren, das die Belüftung und Durchblutung der Lunge untersucht und bildgebend darstellt.
Vorbeugen, Früherkennung, Prognose
Ob Sie einer Atemnot vorbeugen können, das hängt von der Ursache ab. Bei allergischem Asthma bronchiale zum Beispiel kann eine akute Atemnot verhindert werden, wenn die betroffene Person das verantwortliche Allergen vermeidet und die medikamentöse Therapie richtig einnimmt. Menschen mit Erkrankungen der Atemwege, der Lunge und des Herzens können einer Verschlechterung mit Atemnot vorbeugen, indem sie nicht Rauchen oder wenn sie Raucher sind, mit dem Tabakkonsum aufhören.
Verlauf und Prognose
Der Verlauf und die Prognose der Atemnot variieren stark und sind abhängig von der Ursache. Psychisch bedingte Atemnot hat eine sehr gute Prognose. Bei chronischen Lungenerkrankungen und Herzversagen mit Lungenödem sind die Prognosen weniger positiv. Insgesamt liegt die Mortalität von Menschen, die wegen Atemnot in ein Spital eingewiesen werden, bei ungefähr zehn Prozent.
Behandlung: Bei akuter Atemnot den Notruf wählen
Die akute Atemnot ist ein medizinischer Notfall. Sollten Sie selbst unter akuter Atemnot leiden oder eine Person in Ihrer Umgebung, wählen Sie sofort den Notruf (144). Versuchen Sie ruhig zu bleiben und den leidenden Menschen zu beruhigen. Animieren Sie ihn zum Sitzen oder lagern Sie ihn mit erhöhtem Oberkörper. Das Abstützen der Arme erleichtert die Atmung. Die weitere Behandlung der Atemnot hängt von der Ursache ab.