Bei einer Stammzelltransplantation werden der Patientin oder dem Patienten Stammzellen übertragen, die die geschädigten Blutzellen im Knochenmark ersetzen und das Immunsystem wieder aufbauen sollen. Je nach Art des Spenders unterscheiden Ärztinnen und Ärzte zwischen der autologen Stammzelltransplantation (Behandlung mit eigenen Blutstammzellen) und der allogenen Stammzelltransplantation (Behandlung mit fremden Blutstammzellen).
Was ist eine Stammzelltransplantation?
Unter einer Stammzelltransplantation versteht man die Übertragung von Blutstammzellen von einem Spender auf einen Empfänger. Fachleute sprechen auch von „hämatopoetischer Blutstammzelltransplantation“ (HSZT). „Hämatopoetisch“ bedeutet „blutbildend“.
Für die Transplantation entnehmen Mediziner Blutstammzellen aus dem in den Adern fliessenden (peripheren) Blut oder dem Knochenmark. Anschliessend bereiten sie es für die Therapie auf.
Die benötigten Stammzellen können von der Patientin oder dem Patienten selbst stammen (autologe Stammzelltransplantation). Sie können aber auch von einer geeigneten verwandten oder nicht verwandten Person gespendet werden (allogene Stammzelltransplantation).
Die Entscheidung zwischen autologer und allogener Stammzelltransplantation hängt von der Art der Erkrankung, dem Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten und der Verfügbarkeit einer geeigneten Stammzellspenderin oder eines geeigneten Stammzellspenders ab.
Die autologe Stammzelltransplantation wird bei verschiedenen lebensbedrohlichen Erkrankungen des blutbildenden Systems eingesetzt. Zum Beispiel bei:
Eine allogene Stammzelltransplantation kommt u a. bei folgenden Erkrankungen in Frage:
Definition: Was sind Blutstammzellen?
Menschliches Blut besteht etwa zur Hälfte aus einem flüssigen Bestandteil, dem Blutplasma, und zur anderen Hälfte aus Blutzellen. Grundsätzlich gibt es drei Hauptarten von Blutzellen:
- Rote Blutkörperchen (Erythrozyten) transportieren Sauerstoff und Kohlendioxid.
- Weisse Blutkörperchen (Leukozyten) verteidigen den Körper gegen Krankheitserreger.
- Blutplättchen (Thrombozyten) sind wichtig für die Blutgerinnung und die Wundheilung.
Blutzellen leben nur eine begrenzte Zeit und sterben je nach Typ nach einigen Tagen oder Monaten ab. Deshalb muss unser Knochenmark täglich Milliarden neuer Blutzellen herstellen, vor allem rote Blutkörperchen. Diese Aufgabe übernehmen die Blutstammzellen, die als „Urzellen“ alle anderen Blutzellen produzieren.
Die meisten Stammzellen befinden sich im Knochenmark, einem schwammartigen Gewebe im Inneren bestimmter Knochen, wie zum Beispiel dem Hüftknochen. Ein kleiner Teil der Stammzellen zirkuliert auch direkt im Blut.
Damit immer genügend Blutzellen vorhanden sind, teilen sich die Stammzellen ständig. Bei jeder Teilung entstehen zwei Zellen: eine neue Stammzelle und eine Vorläuferzelle, die sich zu einem roten oder weissen Blutkörperchen oder einem Blutplättchen entwickelt. Sobald die Blutzellen reif sind, verlassen sie das Knochenmark und gelangen in den Blutkreislauf.
Welche Formen der Stammzelltransplantation gibt es?
Es gibt zwei Hauptarten der Stammzelltransplantation, die sich nach der Herkunft der Stammzellen unterscheiden. Jede Art der Stammzelltransplantation hat ihre eigenen Einsatzgebiete und Risiken. Die Wahl des geeigneten Verfahrens hängt von der Erkrankung ab.
Autologe Stammzelltransplantation
Bei der autologen Stammzelltransplantation (autolog = vom gleichen Individuum) stammen die Blutstammzellen von der Patientin oder dem Patienten selbst. Die eigenen Blutstammzellen werden vor der Hochdosis-Chemotherapie entnommen, eingefroren und nach der Behandlung wieder über eine Infusion in den Körper des Betroffenen zurückgeführt. Diese eigenen, gesunden Stammzellen sollen das Knochenmark und das Immunsystem wieder erneuern.
Allogene Stammzelltransplantation
Bei der allogenen Stammzelltransplantation (allogen = von genetisch unterschiedlichen Individuen) stammen die Stammzellen von einer gesunden Spenderin oder einem gesunden Spender. Die Spenderin oder der Spender kann ein passendes Familienmitglied oder ein genetisch passender, fremder Spender sein. Die allogene Stammzelltransplantation birgt zum einen das Risiko, dass das neue Immunsystem Organe des Patienten bzw. der Patientin als fremd erkennt und angreift (Graft-versus-Host-Disease). Zum anderen besteht die Möglichkeit einer Abstossungsreaktion, da das Immunsystem des Empfängers die fremden Stammzellen als „Eindringlinge“ identifiziert.
Sonderform: haploidentische Stammzelltransplantation
Die haploidentische Stammzelltransplantation ist eine Sonderform der allogenen Stammzelltransplantation, bei der die genetische Übereinstimmung zwischen Spender und Empfänger 50 % beträgt. Ein haploidentischer Spender ist häufig ein Elternteil, ein Geschwister oder ein Kind der Patientin oder des Patienten. Diese Form kommt zum Einsatz, wenn man keinen vollständig passenden Spender findet. Durch spezielle medizinische Massnahmen reduziert sich das Risiko einer Abstossungsreaktion jedoch inzwischen stark.
Ablauf einer Stammzelltransplantation bei Krebs
Bei einer Stammzelltransplantation übertragen die behandelnden Ärzte der Patientin oder dem Patienten neue eigene oder fremde Blutstammzellen in den Blutkreislauf. Durch die Transplantation gesunder Blutstammzellen wird das Knochenmark wieder in die Lage versetzt, neue, gesunde Blutzellen zu bilden und das Immunsystem zu stärken.
Obwohl der Begriff „Transplantation“ an eine Operation erinnert, ähnelt der Vorgang eher einer Bluttransfusion. Die gesunden Blutstammzellen erhält die Patientin oder der Patient per Infusion in die Vene. Von dort wandern die Zellen selbständig ins Knochenmark.
Der Ablauf einer Stammzelltransplantation Schritt für Schritt:
- Vorbereitende Behandlung (Konditionierung)
Vor der eigentlichen Transplantation erhält die Patientin oder der Patient eine sogenannte Konditionierungsbehandlung – meist eine Chemotherapie und/oder Bestrahlung. Diese Behandlung zerstört die kranken oder defekten Blutzellen und unterdrückt das Immunsystem, um Platz für die neuen Stammzellen zu schaffen. Das vermindert das Risiko, dass der Körper die neuen Zellen wieder abstösst.
- Transplantation der Blutstammzellen
Die gesunden Stammzellen fliessen über eine Infusion – ähnlich einer Bluttransfusion – über die Vene ins Blut der Patientin oder des Patienten. Die Stammzellen wandern dann über den Blutkreislauf in das Knochenmark und beginnen dort, sich zu vermehren und neue Blutzellen zu bilden.
- Anwachsen und Neubildung von Blutzellen
Im Knochenmark beginnen sich die Stammzellen in rote und weisse Blutkörperchen sowie Blutplättchen umzuwandeln. Sie sind wichtig für den Sauerstofftransport, die Immunabwehr und die Blutgerinnung. In dieser Zeit ist das Immunsystem der Patientin oder des Patienten noch geschwächt. Es besteht ein erhöhtes Risiko für Infektionen und andere Komplikationen.
- Nachsorge und Überwachung
Nach einer Stammzelltransplantation ist eine intensive Nachsorge erforderlich. Die behandelnden Ärzte überwachen die Blutwerte und den allgemeinen Gesundheitszustand, um sicherzustellen, dass die neuen Stammzellen gut anwachsen und keine Abstossungsreaktionen auftreten. Um lebensbedrohliche Abstossungsreaktionen zu vermeiden, erhalten Patientinnen und Patienten nach einer allogenen Stammzelltransplantation in der Regel für etwa sechs Monate spezielle Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems (Immunsuppressiva) sowie Medikamente zur Vorbeugung von Infektionen. In dieser Zeit sollten Betroffene Menschenansammlungen und öffentliche Verkehrsmittel möglichst meiden.
Welche Komplikationen und Nebenwirkungen können auftreten?
Wie bei jedem medizinischen Eingriff können auch bei einer Stammzelltransplantation Komplikationen auftreten. Zu den häufigsten Risiken gehören:
- Abstossungsreaktionen: Der Körper erkennt die fremden Stammzellen als Eindringlinge und greift sie an.
- Infektionen: Da das Immunsystem geschwächt ist, besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko.
- Organschäden: Die Konditionierungsbehandlung kann Nebenwirkungen haben, die auch andere Organe wie Leber oder Herz betreffen.
- Graft-versus-Host-Disease (GvHD): Eine schwere Form der „umgekehrten“ Abstossungsreaktion, bei der das neue, transplantierte Immunsystem die Organe des Empfängers angreift.
Stammzelltransplantation: Was passiert bei der Nachsorge?
Nach einer Transplantation von Blutstammzellen ist eine langfristige medizinische Betreuung erforderlich. In den ersten Wochen und Monaten überwacht die Ärztin oder der Arzt den Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten engmaschig. Regelmässige Blutuntersuchungen und Kontrollen stellen sicher, dass Komplikationen frühzeitig erkannt und behandelt werden können. Eine regelmässige Anpassung der Medikamentendosis unterstützt das Immunsystem und verringert das Infektionsrisiko.
Wer übernimmt die Kosten bei einer Stammzelltransplantation?
In der Regel übernehmen in der Schweiz die Krankenkassen die Kosten für eine medizinisch notwendige Stammzelltransplantation. Eine Kostengutsprache der Krankenkasse kann sicherstellen, dass die Finanzierung geregelt ist.
Prognose: Wie sind die Erfolgsaussichten nach einer Stammzelltransplantation?
Die Prognose nach einer Stammzelltransplantation hängt von mehreren Faktoren ab: unter anderem von der Grunderkrankung, dem Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten, dem Alter, der Verfügbarkeit geeigneter Spenderzellen sowie der Fähigkeit der Spenderzellen, neue, gesunde Blutzellen zu bilden.
Experten für Stammzelltransplantation
In der Schweiz gibt es mehrere spezialisierte Kliniken und Transplantationszentren, die Stammzelltransplantationen bei Kindern und Erwachsenen durchführen. Zu den führenden Einrichtungen zählt das Universitätsspital Zürich.
Am Universitätsspital Zürich (USZ) werden Sie während des gesamten Behandlungsprozesses umfassend von unserem erfahrenen interdisziplinären Team betreut. Neben der medizinischen Versorgung erhalten Sie Unterstützung aus verschiedenen Bereichen wie Ernährungsberatung, Sozialberatung, Physiotherapie, Psychoonkologie und weiteren Fachrichtungen.
Das USZ ist ein von der Europäischen Gesellschaft für Blut- und Knochenmarktransplantation (EBMT) anerkanntes Zentrum für Stamm- und Immunzelltherapie und trägt die JACIE-Akkreditierung.