Was sind Herpesviren?
Die Familie der Herpesviren umfasst mehr als 200 bekannte Mitglieder. Neun davon können den Menschen infizieren. Zu den sogenannten humanen Herpesviren (HHV) gehören
- die Herpes-simplex-Viren Typ 1 und 2,
- das Varizella-Zoster-Virus,
- das Epstein-Barr-Virus,
- das Zytomegalievirus sowie
- die humanen Herpesviren 6A, 6B, 7 und
- das Kaposi-Sarkom-assoziierte Herpesvirus 8.
Das humane Herpesvirus 9 (HHV-9) ist bisher weniger erforscht und es besteht noch kein breiter wissenschaftlicher Konsens über seine Eigenschaften und Wirkungen. Herpesviren können eine Vielzahl von Krankheiten verursachen. Sie sind weltweit verbreitet. Die meisten Erwachsenen tragen eines oder mehrere der neun Viren in sich, ohne es zu wissen.
Mögliche Herpesvirus-Infektionen beim Menschen sind zum Beispiel:
- Lippenherpes (Herpesvirus 1 & 2)
- Genitalherpes (Herpesvirus 1 & 2)
- Windpocken (Varizella Zoster Virus)
- Gürtelrose (Varizella Zoster Virus)
- Pfeiffersches Drüsenfieber (Eppstein Barr Virus, Zytomegalie Virus)
- bestimmte Krebsarten (Herpesvirus 8)
Herpesviren: langlebig, latent, ansteckend, reaktivierend
Herpesviren verbleiben nach der oft unbemerkten oder symptomlosen Erstinfektion lebenslang im Körper. Nach der Erstinfektion ziehen sie sich in einen schalfenden Zustand zurück. In dieser Phase bilden sie keine neuen Viren und bleiben daher vom Immunsystem nahezu unbemerkt.
Wird das Virus reaktiviert – zum Beispiel durch eine Schwächung des Immunsystems – beginnt es sich im Körper zu vermehren und kann Krankheitssymptome hervorrufen. Eine Reaktivierung kann für Betroffene unbemerkt ablaufen, das Virus vermehrt sich aber trotzdem und wird ausgeschieden. Gerade dadurch können Herpesviren leicht auf andere Menschen übertragen werden und neue Infektionen auslösen.
Risikofaktoren für Herpes
Herpes betrifft Menschen jeden Alters und jeden Lebensstils. Schätzungen zufolge tragen mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung Herpesviren in sich, oft ohne es zu wissen. Erstinfektionen treten besonders häufig im Kindes- und Jugendalter auf. Risikogruppen sind Menschen mit geschwächtem Immunsystem, Schwangere oder Menschen unter starkem Stress.
Schon eine einfache Erkältung kann die Abwehrkräfte schwächen. Auch negative Emotionen, starke körperliche Belastung, Stress oder genetische Defekte setzen das Immunsystem unter Druck. Besonders gefährdet sind Menschen mit Immunschwächekrankheiten wie HIV/AIDS oder Transplantationspatienten, deren Immunsystem medikamentös unterdrückt wird, um eine Abstossung der Organe zu verhindern.
Mögliche Auslöser für Herpes an der Lippe & Co.
Auslöser für eine Herpesinfektion sind meist Faktoren, die das Immunsystem schwächen oder belasten. Die häufigsten Auslöser sind
- Schwächung des Immunsystems: Krankheiten, Medikamente (z. B. Immunsuppressiva) oder eine allgemeine Abwehrschwäche können Herpesviren reaktivieren.
- Stress: Psychischer oder physischer Stress kann das Immunsystem belasten und eine Herpes-Erkrankung auslösen.
- Fieber: Hohe Temperaturen, zum Beispiel bei einer Erkältung oder Grippe, können das Virus reaktivieren.
- Hormonelle Veränderungen: Vor allem bei Frauen können Hormonschwankungen (z. B. während der Menstruation oder Schwangerschaft) Herpes auslösen.
- UV-Strahlung: Intensive Sonnenbestrahlung oder Sonnenbrand können das Virus aktivieren, vor allem bei Lippenherpes.
- Verletzungen oder lokale Reizungen: Zum Beispiel durch Operationen, Zahnbehandlungen oder Hautverletzungen.
Übertragung von Herpesviren
Herpesviren werden je nach Typ auf unterschiedliche Weise übertragen, häufig durch direkten Kontakt oder über Körperflüssigkeiten. Hier ein Überblick über die häufigsten Übertragungswege:
Direkter Kontakt
- Haut-zu-Haut-Kontakt: Herpesviren wie HSV-1 (Lippenherpes) oder HSV-2 (Genitalherpes) werden häufig durch direkten Haut- oder Schleimhautkontakt weitergegeben, insbesondere bei aktiven Bläschen.
- Küssen: Insbesondere HSV-1 kann leicht durch Speichel und Kontakt mit infizierten Lippenbläschen übertragen werden.
Übertragung durch Körperflüssigkeiten
- Speichel: Viren wie HSV-1, EBV (Epstein-Barr-Virus) und CMV (Zytomegalievirus) können durch Speichel übertragen werden.
- Sexueller Kontakt: HSV-2 (Genitalherpes) und KSHV wandern häufig durch Geschlechtsverkehr von Träger und Trägerinnen zu noch nicht Infizierten.
Tröpfcheninfektion
- Aerosolinfektion: Einige Herpesviren, wie das Varizella-Zoster-Virus (VZV), können über die Luft übertragen werden, z. B. durch winzige Tröpfchen beim Husten oder Niesen.
Übertragung während der Geburt
- Von der Mutter auf das Kind: Herpesviren wie HSV-2 oder CMV können während der Geburt von einer infizierten Mutter auf das Neugeborene weitergegeben werden.
Übertragung durch gemeinsam benutzte Gegenstände
- Gemeinsam genutzte Gegenstände: Mit Herpesviren wie HSV-1 stecken sich Nichtinfizierte bei Infizierten durch gemeinsam benutzte Gläser, Besteck, Handtücher oder Lippenpflegeprodukte an, wenn die Viren darauf überleben.
Infektionen mit Herpes-simplex-Viren: Lippenherpes und Genitalherpes
Das Herpes-simplex-Virus (HSV) ist eines der bekanntesten Herpesviren und wird in zwei Typen unterteilt: HSV-1 und HSV-2. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung mit HSV-1 infiziert.
- HSV-1 überträgt sich hauptsächlich durch Speichel und verursacht vor allem Bläschen im Lippenbereich, auch bekannt als Lippenherpes (Herpes labialis).
- HSV-2 hingegen verbreitet sich durch sexuelle Kontakte und ist die häufigste Ursache für Genitalherpes bei Frau und Mann. Mediziner behandeln Genitalherpes in der Regel mit Salben und Tabletten. Wichtig: Bei Genitalherpes sollten Sie immer einen Arzt konsultieren.
- Beide Virustypen können jedoch sowohl Lippen- und Genitalherpes als auch Augenherpes oder Nasenherpes verursachen.
In seltenen Fällen führt HSV-1 zu schweren Komplikationen wie einer lebensbedrohlichen Gehirnentzündung (Enzephalitis). Da es gegen beide Herpes-simplex-Viren keine wirksame Impfung gibt, beschränkt sich die Behandlung auf die Linderung der Symptome.
Infektionen mit dem Varizella-Zoster-Virus (HHV-4): Windpocken und Gürtelrose
Das Varizella-Zoster-Virus (humanes Herpesvirus Typ 3) ist für zwei Krankheiten verantwortlich: Windpocken (Varizellen) und Gürtelrose (Herpes zoster).
Windpocken – eine oft unterschätzte Kinderkrankheit
Bei einer Erstinfektion, die häufig im Kindesalter auftritt, löst das Varizella-Zoster-Virus die Windpocken aus. Windpocken beginnen typischerweise mit juckendem Hautausschlag, Fieber und Bläschenbildung. In der Regel heilt die Erkrankung narbenlos aus. Durch Kratzen oder bakterielle Infektion kann es zu bleibenden Hautschäden kommen.
Besonders gefährdet sind Neugeborene, Schwangere und Personen mit geschwächtem Immunsystem. In diesen Fällen können schwerwiegende, teils lebensbedrohliche Komplikationen wie Lungenentzündungen (Varizellen-Pneumonie), bakterielle Infektionen oder seltener neurologische Erkrankungen auftreten.
Über 95 Prozent der Erwachsenen in der Schweiz haben in ihrer Kindheit Windpocken gehabt. Nur wer einmal Windpocken hatte, kann an Gürtelrose (Herpes zoster) erkranken.
Gürtelrose – das Risiko steigt mit dem Alter
Nach überstandenen Windpocken verbleibt das Virus inaktiv in den Nervenzellen des Körpers. Im späteren Leben kann es durch Reaktivierung zu einer Gürtelrose kommen. Jeder dritte Erwachsene ist irgendwann einmal davon betroffen, meist ab dem 50. Lebensjahr. Die Gürtelrose beginnt oft mit brennenden Nervenschmerzen, gefolgt von einem Bläschenausschlag, der häufig am Rumpf, Brustkorb oder Kopf auftritt. Auch nach Abheilen des Ausschlags können die Schmerzen noch Monate bis Jahre anhalten (postherpetische Neuralgie). Eine Impfung kann Sie vor dem Ausbruch einer Gürtelrose mit ihren unangenehmen Begleiterscheinungen schützen. Sie bietet zwar keinen hundertprozentigen Schutz, mindert aber den Schweregrad der Erkrankung und senkt das Risiko chronischer Nervenschmerzen deutlich.
Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (HHV-4) – potenziell krebserregend
Das Epstein-Barr-Virus (EBV, HHV-4) gehört zu den am weitesten verbreiteten Viren der Welt. Etwa 95 bis 98 % aller Menschen haben sich bis zum 50. Lebensjahr mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert. Das Virus ist der Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers (auch infektiöse Mononukleose). Erfolgt die Infektion mit EBV im Kindesalter, verläuft die Krankheit meist mild oder sogar symptomlos. Erfolgt die Erstinfektion jedoch im Jugend- oder Erwachsenenalter, sind die Symptome oft stärker ausgeprägt: Müdigkeit, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Halsschmerzen, geschwollene Lymphknoten und eine vergrösserte Milz.
EBV wird hauptsächlich durch Speichel, aber auch durch Blut, sexuellen Kontakt, Bluttransfusionen oder Transplantationen übertragen. Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem kann es zu schwereren Komplikationen wie Entzündungen der Lunge, des Nervensystems oder des Herzens kommen. EBV wird auch mit verschiedenen Krebsarten in Verbindung gebracht, darunter Nasenrachenkrebs (Nasopharynxkarzinom) und maligne Lymphome wie das Burkitt-Lymphom und das Hodgkin-Lymphom.
Infektion mit dem Zytomegalievirus (HHV-5)
Das Zytomegalievirus (humanes Herpesvirus Typ 5, auch humanes Cytomegalievirus, kurz HCMV) ist eines der häufigsten Herpesviren. Es verbreitet sich durch sexuellen und nicht-sexuellen Kontakt mit Körpersekreten. In der Schweiz sind etwa 40 % der Erwachsenen mit dem Virus infiziert. Eine Erstinfektion verläuft meist symptomlos. Bei Personen mit geschwächtem Immunsystem (z. B. Transplantationspatientinnen und -patienten) kann das Zytomegalievirus zu schweren Komplikationen wie Organschäden an Lunge, Leber oder Augen führen. Besonders gefährdet sind zudem ungeborene Kinder, die sich im Mutterleib mit dem Zytomegalievirus infizieren. Eine Infektion kann zu schweren Schädigungen wie Hörverlust oder Mikrozephalie, einer Fehlbildung des Schädels, führen. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann eine ZMV-Infektion eine Form der infektiösen Mononukleose (Pfeiffersches Drüsenfieber) auslösen.
Infektion mit HHV-6 und HHV-7 – die unbekannten Viren
Die humanen Herpesviren 6 (HHV-6) und 7 (HHV-7) sind eng mit dem Zytomegalievirus verwandt. Mehr als 85 % der Erwachsenen sind mit diesen Viren infiziert. HHV-6 gibt es in zwei Typen: A und B.
Für HHV-6A wurden bisher keine spezifischen Krankheitsbilder beobachtet. HHV-6B ist der Hauptverursacher des häufigen Dreitagefiebers (Roseola infantum), einer Kinderkrankheit mit Fieber und plötzlichem Hautausschlag an Gesicht und Körper. Meist breitet sich der Ausschlag nach Abklingen des Fiebers auf die Beine aus. Begleitsymptome können Durchfall, Husten und geschwollene Lymphknoten sein. Die Erkrankung betrifft meist Kinder im Alter von sechs bis 24 Monaten und verläuft oft mild, manchmal sogar symptomlos.
HHV-7 kann bei Kleinkindern ebenfalls Dreitagefieber mit einhergehenden Krampfanfällen verursachen. In diesem Fall kann das Fieber höher sein und neurologische Symptome sind möglich. Wie bei anderen Herpesviren können Infektionen mit HHV-6 und HHV-7 bei Personen mit geschwächtem Immunsystem schwerer verlaufen.
Infektion mit dem Kaposi-Sarkom-assoziierten Herpesvirus (HHV-8)
Das Kaposi-Sarkom-assoziierte Herpesvirus (KSHV, HHV-8) tritt besonders häufig in bestimmten Regionen Afrikas auf, wo fast die Hälfte der Bevölkerung infiziert sein kann. In Europa und Nordamerika ist die Häufigkeit mit weniger als 10 % deutlich geringer.
Bei Menschen mit einem gesunden Immunsystem verursacht KSHV selten Tumoren. Bei immungeschwächten Personen, z. B. HIV-positiven Patienten, kann KSHV jedoch schwere Erkrankungen auslösen. Es ist der Hauptauslöser des Kaposi-Sarkoms, des häufigsten Tumors bei AIDS-Patienten, und kann auch das primäre Effusions-Lymphom (ein B-Zell-Lymphom) und die multizentrische Castleman-Krankheit (Morbus Castleman) auslösen.
Behandlung Herpes
Eine Herpesvirusinfektion lässt sich in der Regel mit antiviralen Medikamenten behandeln. Sie sollen die Virusvermehrung hemmen und die Symptome lindern. Häufig verwendete Wirkstoffe sind Aciclovir, Valaciclovir und Famciclovir.
Behandlungsmöglichkeiten Herpes im Überblick:
- Lokal: Cremes, Salben oder Augentropfen zur Behandlung von Haut- und Augeninfektionen
- Systemisch: Tabletten oder Infusionen bei schwerem Verlauf oder Abwehrschwäche
- Symptomatisch: Schmerz- und entzündungshemmende Medikamente bei Beschwerden
Eine frühzeitige Behandlung kann Komplikationen verhindern, die Infektion aber nicht vollständig heilen, da Herpesviren lebenslang im Körper bleiben.
Details zu den Behandlungen