Erfolgreicher Test bei Brustkrebs-Patientinnen: Der Wirkstoff Digoxin löst Klümpchen von zirkulierenden Brustkrebszellen im Blut auf und reduziert so die Gefahr von Metastasenbildung.
In Kürze
- Der Wirkstoff Digoxin, eine Substanz aus dem Fingerhut, reduziert die Zahl der Zellen in Häufchen von im Blut zirkulierenden Brustkrebszellen.
- Diese Häufchen sind verantwortlich für die Bildung von Ablegern in anderen Organen. Je kleiner die Cluster, desto weniger Metastasen können sich bilden.
- Damit könnte der Wirkstoff andere Krebsmittel ergänzen, die den Primärtumor bekämpfen.
Gewisse Tumortypen bleiben nicht an ihrem Ursprungsort, sondern verbreiten sich im ganzen Körper und bilden Ableger. Denn der Primärtumor gibt laufend Krebszellen ins Blut ab. Diese im Blut zirkulierenden Tumorzellen (englisch: circulating tumor cells, CTC) können sich zu kleinen Häufchen von bis zu einem Dutzend Zellen zusammenschliessen und sich in anderen Organen einnisten. Dort wachsen die Cluster zu grösseren Tumoren, sogenannten Metastasen.
Ein solch streuender Tumor ist beispielsweise der Brustkrebs. Sobald der Primärtumor Ableger bildet, sinken die Überlebenschancen drastisch. Noch immer sterben weltweit zehntausende von Frauen an metastasierendem Brustkrebs.
Metastasenrisiko stark reduziert
In einer neuen Studie, die soeben in der Fachzeitschrift Nature Medicine erschienen ist, zeigt ein Team von Forscherinnen und Forschern der ETH Zürich, der Universitätsspitäler von Zürich und Basel sowie des Kantonsspitals Baselland einen neuen, vielversprechenden Ansatz.
Die Forschenden verabreichten neun Patientinnen mit metastasierendem Brustkrebs eine Woche lang das Medikament Digoxin in niedriger und sicherer Dosierung. Der Wirkstoff Digoxin stammt ursprünglich aus dem Fingerhut (Digitalis sp.) und wird in der Regel bei Herzleiden wie Herzinsuffizienz verwendet. Dass Digoxin auch im Zusammenhang mit Brustkrebs wirksam sein könnte, entdeckten ETH-Forschenden im Jahr 2019. Das Ergebnis: Die Zahl der Zellen pro Cluster nahm signifikant ab – im Durchschnitt um 2,2 Zellen. Da solche Cluster normalerweise nur aus wenigen Zellen bestehen, bedeutet dies eine deutliche Reduktion des Metastasenrisikos. Denn je kleiner die Cluster sind, desto weniger sind sie in der Lage, erfolgreich Metastasen hervorzubringen.
Weshalb aber reduziert Digoxin die Anzahl Zellen in den Clustern? Eine Schwachstelle der Cluster sind die Natrium-Kalium-Pumpen, die in den Membranen der Tumorzellen sitzen. Sie sind dafür verantwortlich , dass Natrium aus den Zellen und Kalium in die Zellen befördert wird. Digoxin blockiert diese Ionen-Pumpen und unterdrückt somit den Ionenaustausch. Die Zellen nehmen deshalb verstärkt Kalzium von der Aussenseite der Zellmembran in sich auf. Dies schwächt den Zusammenhalt der Krebszellen im Cluster, sodass diese auseinanderfallen.
Digoxin alleine beseitigt den bestehenden Tumor jedoch nicht. Das Mittel müsste in Kombination mit anderen Substanzen, die bestehende Krebszellen töten, abgegeben werden. Alexander Ring, Oberarzt an der Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie, und einer der Erstautoren der Studie, war massgeblich beteiligt an der Patientenrekrutierung und Durchführung der klinischen Versuche: «Es handelt sich erst um eine proof-of-concept-Studie. Aufgrund der positiven Ergebnisse ist unser Team, unter Leitung von Prof. Nicola Aceto, hochmotiviert, weiterführende Studien mit klinischen Endpunkten sowie die Entwicklung noch potenterer Moleküle gegen zirkulierende Tumorzell-Cluster voranzubringen».
Literaturhinweis:
Kurzeder C, Nguyen-Sträuli BD, Krol I, Ring A, et al. Digoxin for reduction of circulating tumor cell cluster size in metastatic breast cancer: a proof-of-concept study. Nature Medicine, accepted (wird ergänzt).