Nach einem Schlaganfall werden die verschlossenen Gefässe im Gehirn so bald wie möglich wieder geöffnet. Die schnelle Wiederdurchblutung kann sich bei bestimmten Patienten aber schädlich auswirken. Eine Studie zeigt nun, wie Schlaganfallpatienten mit erhöhtem Risiko schon während der Entfernung des Blutgerinnsels anhand der Geschwindigkeit der Wiederdurchblutung erkannt werden können.
Bei einem ischämischen Schlaganfall oder Hirninfarkt sind Arterien, die das Gehirn mit Blut versorgen, vereengt oder verschlossen. Das Hirngewebe erhält dadurch zu wenig Sauerstoff und Energie. Die Folge sind Symptome wie Lähmungen, Bewusstseinsstörungen, Schwindel, Schmerzen, Sprachstörungen oder – bei schweren Schlaganfällen – der Tod. Um die Schlaganfallsymptome zu behandeln, muss das verstopfte Gefäss so rasch wie möglich wieder geöffnet werden. Dies geschieht mit Medikamenten oder mit Hilfe eines Katheters. Doch selbst wenn das Gerinnsel rechtzeitig entfernt wird, erholen sich viele Schlaganfallpatientinnen und -patienten nur schlecht.
Das Kollateral-Netzwerk funktioniert als Umleitung
In einer Studie konnte eine Forschungsgruppe um Susanne Wegener, Leitende Ärztin in der Klinik für Neurologie des Universitätsspitals Zürich (USZ) und Professorin an der Universität Zürich (UZH) nun zeigen, dass der Erfolg der Schlaganfallbehandlung vom sogenannten Kollateral-Netzwerk abhängt. Kollateralen sind Blutgefässe, die benachbarte Arterienbäume miteinander verbinden und im Falle einer Gefässverstopfung wie Umleitungen funktionieren und die Selbstregulierung des Gehirns aufrechterhalten können. Das Gehirn wird über dieses Netz allmählich wieder durchblutet, was zu kleineren Infarkten führt. Für die Erholung der Patientinnen und Patienten spielen die Kollateralen deshalb eine entscheidende Rolle.
Schützender Ausgleich vor zu schneller Wiederdurchblutung
Für seine Studie setzte das Forscherteam ein Mausmodell für Schlaganfälle sowie mehrere Bildgebungsverfahren ein, um Veränderungen in der arteriellen Blutzufuhr am lebenden Organismus zu untersuchen. Bei Versuchstieren, die über schlechte Kollateralen verfügten, führte die übermässige Wiederdurchblutung nach der Entfernung des Gerinnsels zu Blutungen und einer erhöhten Sterblichkeit. Die Ergebnisse aus dem Mausmodell bestätigten sich auch in der Praxis: Patientinnen und Patienten mit schlechten Kollateralen zeigten nach erfolgter Öffnung des verstopften Blutgefässes eine ähnlich schnelle und übermässige Wiederdurchblutung des Hirnareals wie die Mäuse. Auch bei ihnen kam es zu kleinen Blutungen im Gehirn, und ihre Genesung war schlechter.
Die Fliessgeschwindigkeit zeigt erhöhtes Risiko an
Bisher wurden die Schädigungen durch eine zu schnelle Wiederdurchblutung nach der Therapie wenig beachtet. Im Zentrum stand die möglichst rasche Entfernung des Gerinnsels, um die Sauerstoffversorgung des Gehirns wiederherzustellen. Dank der Studie ist es nun möglich, schon während der Entfernung des Blutgerinnsels anhand der Geschwindigkeit der Wiederdurchblutung zu erkennen, welche Schlaganfallpatienten ein schlechter funktionierendes Kollateral-Netzwerk und damit ein erhöhtes Risiko einer übermässigen Wiederdurchblutung haben. Bei diesen Patientinnen und Patienten kann die Wiederdurchblutung dann graduell und für sie schonender erfolgen.
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Übermässige Wiederdurchblutung im Gehirn eines Patienten mit früher venöser Füllung nach der Entfernung des Blutgerinnsels. (Bild: P. Thurner und Z. Kulcsar, USZ)