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Familienzentriertes Betreuungskonzept in der Neonatologie

Zuletzt aktualisiert am 23. Januar 2024 Erstmals publiziert am 24. Oktober 2023

Fünf Fragen an Prof. Dirk Bassler, Direktor der Klinik für Neonatologie am USZ

Herr Bassler, wie häufig müssen Sie und Ihr Team Mehrlinge in der Neonatologie betreuen?

Tatsächlich haben Mehrlingsgeburten in den letzten Jahren in der Schweiz zugenommen, insbesondere die zweieiigen. Es kommen rund 1’000 bis 1’300 Zwillinge pro Jahr auf die Welt, deutlich weniger häufig sind es Drillinge. Die Gründe für die wachsende Zahl liegen unter anderem in der Zunahme der künstlichen Befruchtungsmethoden. Mehrlinge müssen aber nicht zwangsläufig immer auf der Neonatologie behandelt werden. Kommen sie reif und mit gutem Gewicht auf die Welt, bleiben sie bei der Mutter auf der Geburtshilfe, wo sie ebenfalls von unseren Spezialistinnen und Spezialisten betreut werden. Wenn der Geburtstermin allerdings stark unterschritten wird oder das Gewicht deutlich zu gering ist, werden die Kinder in der Neonatologie aufgenommen. Aber selbst hier müssen sie nicht immer von der Mutter getrennt werden. Wir verfügen über Familienzimmer, wo die Kinder mit einer gesunden Begleitperson aufgenommen werden können. Das kann Mutter oder Vater sein. Dafür müssen die Kinder allerdings gewisse Voraussetzung erfüllen.

Was sind die häufigsten Gründe für eine Aufnahme in der Neonatologie?

Mehrlinge haben häufig ein geringeres Gewicht, als wenn ein Kind als Einling auf die Welt kommt. Letztere müssen sich die Versorgung während der Schwangerschaft teilen, deshalb haben sie auch eine andere Wachstumskurve. Sie haben zum Beispiel etwas mehr Mühe, die Temperatur zu halten, neigen vielleicht zu einem Unterzucker und häufiger auch an Ernährungsproblemen beim Aufbau der Kost. Je älter die Schwangere, umso stärker spielt auch das Grundrisiko der Frühgeburtlichkeit eine Rolle und steht dann im Vordergrund. Extrem früh geborene Kinder gehören zu einer anderen Gruppe von Erkrankungen, die prognostisch relevant und die nicht explizit an eine Mehrlingsschwangerschaft gebunden sind.

Und wie ist dann die Prognose?

Für die kindliche Prognose entscheidend ist, wie früh die Kinder auf die Welt kommen. Insgesamt sind die Prognosen in den letzten Jahren besser geworden. Die Prognose für Mehrlinge wird denn auch hauptsächlich mit dem Zeitpunkt der Geburt bestimmt. Bei Mehrlingen ist das Grundrisiko für viele Morbiditäten ein bisschen extravertiert, aber nicht dramatisch. Plus-minus die 34. Woche wäre so ein Cut-off, ab dann könnten wir die Kinder in der Geburtshilfe mitbetreuen.

Was sind die Hauptmerkmale der Neonatologie am USZ?

Am USZ haben wir zu jeder Zeit für jedes Problem mit einem Neugeborenen sofort jemanden da mit einer hohen Expertise. Im Extremfall ist das zentral. Wir sind zudem die einzige Klinik im Kanton Zürich, die von der Schweizer Gesellschaft für Neonatologie akkreditiert ist, Frühgeborene unter der 32. Woche zu versorgen. Selbst wenn es unter der Geburt zu Komplikationen kommt, kann es prognostisch sehr viel ausmachen, wenn für mögliche Probleme immer eine hochqualifizierte neonatologische Versorgung verfügbar ist.

Wie stellen Sie den Austausch mit den Eltern sicher?

Wir betreiben in der Neonatologie hochspezialisierte Medizin, also Intensivmedizin, die bei Kindern gemacht wird, die zum Teil weniger als 500 Gramm wiegen. Die Neonatologie ist aufwändig und technisch hochaffin. Das wird häufig vergessen, wenn der Patient nur ein halbes Kilo wiegt. Je nachdem wie früh die Kinder auf die Welt kommen, liegen sie bis zu einem halben Jahr bei uns. Wenn sie stabil genug sind, verlegen wir sie von der IPS in die IMC. Bei einem schwerstkranken Kind sind wir das am besten ausgerüstete Kompetenzzentrum im Kanton Zürich. Aber, und es ist mir sehr wichtig, dies hier zu erwähnen, weil das jetzt alles sehr technisch klingt: In unserem familienzentrierten Betreuungskonzept stehen Familie, Eltern und Kinder im Vordergrund, was sich zum Beispiel auch im Bezugsarzt-System niederschlägt. Es sind also mehr oder weniger immer die gleichen Ansprechpersonen, die mit den Eltern kommunizieren. Das schafft Vertrauen.

Dirk Bassler, Prof. Dr. med.

Klinikdirektor, Klinik für Neonatologie

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