Je genauer ein Tumor analysiert werden kann, desto besser stehen die Chancen für eine effiziente individuelle Behandlung.
Wer bis vor circa 20 Jahren an einer chronisch myeloischen Leukämie (CML) erkrankte, hatte eine schlechte Prognose: mehr als die Hälfte der Patienten starb innerhalb weniger Jahre an der speziellen Form von Blutkrebs. Ganz anders heute: Die Lebenserwartung von CML-Patienten ist etwa gleich hoch wie jene der Allgemeinbevölkerung. Möglich wurde das, weil Forscher Ende des letzten Jahrhunderts eine spezifische genetische Veränderung am Tumor entdeckten. Aufgrund dessen konnte ein neues Medikament entwickelt werden, das aus der einst tödlichen eine chronische Krankheit machte.
CML ist das Paradebeispiel dafür, welchen Nutzen die Präzisionsonkologie haben kann. „Durch molekulare Analysen können wir Unterschiede von Tumoren immer besser erkennen“, sagt Professor Markus Manz, Direktor der Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie am USZ sowie Leiter des Comprehensive Center Zürich (CCCZ). „Im Idealfall finden wir spezifische, individuelle Therapien, die nicht nur effizient sind, sondern auch die Nebenwirkungen minimieren.“
In der Regel sei es allerdings nicht so einfach wie im Fall von CML: „Tumore sind meistens komplexer. Sie werden von mehreren Veränderungen getrieben. Ausserdem sind sie dynamisch, entwickeln sich also über die Zeit weiter.“ Für eine möglichst präzise Analyse findet in Kollaboration mit dem Tumor Profiler Center , der Universität Zürich und der ETH Zürich im Rahmen einer Studie ein umfassendes Tumorprofiling statt. „Wir untersuchen Einzelzellen, suchen nach genetischen Veränderungen und Proteinveränderungen sowohl in der Zelle als auch an ihrer Oberfläche.“
Effektive und schonende Behandlungen
Um von der Analyse zum Medikament zu kommen, gibt es zwei Möglichkeiten. Die erste: mit einem Wirkstoff wird die genetische Veränderung unterbrochen. Solche Medikamente zielen oft auf jene Vorgänge in Krebszellen, die eine wichtige Rolle bei der Krebsentstehung und dem Tumorwachstum spielen. Weil sie selektiv aufs Tumorgewebe abzielen, sind sie in vielen Fällen wirksamer als Standard-Therapien. Zudem minimieren sie Nebenwirkungen, weil gesundes Gewebe geschont wird.
Die zweite Möglichkeit, um zu einem neuen Medikament zu kommen, ähnelt der Vorgehensweise bei der Suche nach der Wirksamkeit von Antibiotika: Tumorgewebe wird in der Kulturschale einer Vielzahl von bestehenden Wirkstoffen ausgesetzt. Daraufhin wird überprüft, auf welche Medikamente die Tumorzellen ansprechen. „Man testet also blind und versucht in der Folge zu verstehen, warum einige Medikamente wirken“, erklärt Manz. Diese Untersuchungsoption eigne sich insbesondere für sehr komplexe Tumorarten.
Weil am universitären Comprehensive Center Zürich im Gegensatz zu anderen Krebszentren auch Forschung und Lehre betrieben wird, können besonders innovative Krebstherapien angeboten werden. Am gemeinsamen Exzellenzzentrum von Universitätsspital und Universität Zürich unter Einbezug der Universitätsklinik Balgrist und dem Zürcher Kinderspital arbeiten Fachleute zahlreicher Disziplinen eng zusammen. Zuweisungen erfolgen direkt über die jeweiligen Fachkliniken.