Virale Atemwegsinfektionen gehören zu den häufigsten Konsultationsgründen. Antibiotika können dabei problemlos zurückhaltend eingesetzt werden. “Auf die sofortige Gabe von Antibiotika zu verzichten und diese allenfalls auf Vorrat zu verschreiben ist häufig eine gute Strategie”, sagt Prof. Nicolas Müller von der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am USZ mit Verweis auf entsprechende Studien.
Dass Antibiotika bei oberen Luftweginfektionen oft nicht viel bewirken, ist nicht ganz neu. Eine neue Meta-Analyse bekräftigt diese Erkenntnis noch einmal. Sie basiert auf den Originaldaten von 9 randomisierten und 4 Beobachtungstudien und hat darum eine hohe Aussagekraft. Die Ergebnisse in Kürze:
- Ob Antibiotika gegeben wurden oder nicht oder ob sie allenfalls verzögert eingesetzt wurden, hatte keinen signifikanten Einfluss auf die Schwere der Symptome 2 bis 4 Tage nach der Konsultation.
- Die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten war besser, wenn sie Antibiotika sofort oder verzögert bekommen haben. Sie erschienen auch weniger häufig erneut zur Konsultation.
Verzögerte Gabe als Alternative
Dass es in der Praxis nicht einfach ist, Antibiotika zurückhaltend einzusetzen, wissen Hausärztinnen und Hausärzte nur zu gut – die Gründe sind Druck seitens der Patientinnen oder Patienten, wenig Zeit für die Entscheidung sowie die Schwierigkeit, bakterielle und virale Infektionen sowie obere und untere Luftweginfektionen klinisch zu unterscheiden.
Bei einer Online-Kompaktfortbildung für die Praxis zeigte Prof. Dr. med. Nicolas Müller von der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am USZ für eine Alternative auf: die verzögerte Gabe von Antibiotika. „Das heisst, dem Patienten das Rezept in die Hand zu geben und zu sagen, dass er erst einmal drei bis vier Tage warten soll.“ Falls die Symptome in dieser Zeit nachliessen, würde er gar nicht vom Rezept Gebrauch machen müssen. „Auf diese Weise haben Patienten eine gewisse Sicherheit, fühlen sich ernst genommen“, so Müller.
Müller wies aber auch daraufhin, dass es stets Gründe für die Antibiotika-Einnahme gäbe. „Das klinische Bild ist entscheidend.“ Gerade bei Risikopatienten mit Immunsuppression, verschiedenen Komorbiditäten oder solche in einem sehr gebrechlichen und schwachen Zustand müsse von der Strategie abgewichen werden. „Für Praktizierende macht es wohl Sinn, eine Liste zu machen, was für sie solche Red Flags sind.“