Schielen kann angeboren sein, kann aber generell in jedem Alter auftreten. Oft ist keine Ursache erkennbar, aber manchmal liegt dem Schielen eine ernste Grunderkrankung zugrunde. Je nach Alter des Patienten und Schielform ist die Behandlung des Schielens und deren Folgen unterschiedlich. Schielen ist immer abklärungsbedürftig, damit die richtige Diagnose gestellt und eine entsprechende Behandlung erfolgen kann. Kein Kind ist zu jung für eine orthoptische und augenärztliche Abklärung.
Schielen: Verschiedene Formen
Die Unterscheidung der verschiedenen Schielformen ist wichtig. Diese Diagnostik wird von der Orthoptistin durchgeführt.
Hetereophorie (latentes oder verstecktes Schielen)
Die Heterophorie ist relativ häufig: Schätzungsweise 70-80% der Menschen sind betroffen, meist Schulkinder oder Erwachsene. Sie bemerken üblicherweise nichts davon, denn kleine Fehlstellungen kann das Gehirn selbst ausgleichen. Manchmal aber verursacht dies aber Beschwerden, insbesondere, wenn Sie müde oder gestresst sind oder sehr lange und ohne Unterbruch am PC-/ Laptop arbeiten:
- Kopfschmerzen, oft im Stirnbereich, im Laufes des Tages zunehmend
- Verschwommensehen
- Schnelles Ermüden beim Lesen
- Zeitweise Doppelbilder, Verschwimmen der Bilder
Bei Erwachsenen mit einer Heterophorie ist eine optimale Brillenstärke die Voraussetzung für eine allfällige Behandlung. Je nach Grösse des Schielwinkels kann eine Prismennbrille zur Entlastung verschrieben werden. Ist der Schielwinkel zu gross, kann eine Augenmuskeloperation diskutiert werden.
Das Begleitschielen (Strabismus concomitans)
Das Begleitschielen ist fast immer angeboren oder entsteht im Vorschulalter.
Bei vielen Babys entsteht der Eindruck, dass sie nach innen schielen. Beim sogenannten Pseudo-Schielen oder Pseudo-Strabismus täuscht die Lidfalte, die einen Teil der Lidspalte zur Nase (Epikanthus) hin versteckt, ein Einwärtsschielen vor. Viele Eltern berichten, dass ihnen auf Fotos ein Schielen auffällt oder dass ein Auge bei Seitblick ‚stehen‘ bleibt. Mit zunehmendem Alter bildet sich dieser Epikanthus zurück und der Eindruck des Schielens nimmt ab. Es wichtig, dieses Pseudo-Schielen vom echten Schielen zu unterscheiden. Schielen verwächst sich nicht und erfordert immer eine orthoptische und augenärztliche Untersuchung.
Da das Begleitschielen meist bei jungen Kindern auftritt oder angeboren ist, sind die Folgen anders als bei Erwachsenen. Die Sehentwicklung findet ab Geburt bis etwa zum 8. bis 10. Lebensjahr statt und ist in den ersten Lebensjahren am empfindlichsten. Das kindliche Gehirn unterdrückt somit bei einer Fehlstellung den Seheindruck des schielenden Auges, um die Wahrnehmung störender Doppelbilder zu vermeiden. Eine Konsequenz ist, dass die Sehschärfe des schielenden Auges schwächer wird, eine Sehschwäche (Amblyopie) entsteht. Beim Begleitschielen ist das räumliches Sehen gestört oder nicht vorhanden. Einige Kinder mit Begleitschielen weisen eine höhere Weitsichtigkeit auf und benötigen eine Brillenkorrektur. Diese kann einen positiven Effekt auf das Einwärtsschielen haben. Eine Untersuchung des Auges ist wichtig, um eine angeborene oder frisch aufgetretene Erkrankung auszuschliessen.
Prinzipiell sollte bei Kindern immer eine Brillenglasbestimmung mit Augentropfen (Zykloplegie) erfolgen. Stärkere Fehlsichtigkeiten werden auskorrigiert, denn das Einwärtsschielen kann sich alleine durch die Brille verringern oder sogar vollständig korrigiert werden. Wenn nach der Brillenverordnung keine beidseits gute Sehschärfe besteht, wird erst eine Abdeckbehandlung zur Verbesserung einer allfälligen Sehschwäche (Amblyopie) durchgeführt. Eine operative Korrektur des Schielens führen wir meistens im Kindergartenalter durch. Selten sollte eine Augenmuskeloperation schnell erfolgen, um das erlernte räumliche Sehen aufrecht zu erhalten.
Kindliches Schielen kommt gehäuft in Familien vor, z.B. unter Geschwistern, oder wenn eines der Eltern auch schielt. Wir empfehlen daher Geschwister von schielenden Kindern frühzeitig untersuchen zu lassen. Da kindliches Schielen meist mit einer Sehschwäche einhergeht und diese am besten im Vorschulalter therapiert werden sollte, ist eine Früherkennung entscheidend. Je früher die Sehschwäche entdeckt und therapiert wird, desto besser stehen die Chancen, mittels Brille und/ oder Abdeckbehandlung eine volle Sehschärfe zu erreichen und Dauerschäden zu vermeiden.
Das Lähmungsschielen (Strabismus paralyticus)
Ein Lähmungsschielen entsteht, wenn Krankheiten oder Verletzungen die Augenmuskeln oder den Nerv lähmen. Im Gegensatz zum Begleitschielen ist die Beweglichkeit des Auges in eine oder mehrere Richtungen eingeschränkt. Als Folge kommt es zu einer Fehlstellung der Augen. Diese plötzlich auftretende Form des Strabismus betrifft meist Erwachsene, aber auch Kinder können betroffen sein. Typische Symptome sind plötzlich auftretende Doppelbilder, die zu Schwindel und Übelkeit führen können. Hinzu kommt eine falsche räumliche Einschätzung. Einige Patienten kneifen ein Auge zu oder halten den Kopf schief um nicht doppelt zu sehen. Dem Lähmungsschielen können ernste Ursachen zugrunde liegen. Die Patienten werden oft zur weiteren Diagnostik an andere Abteilungen im USZ verwiesen. Je nach Ursache bildet sich eine Augenmuskellähmung und damit das resultierende Schielen wieder zurück. Bessert sich das Schielen trotz ursächlicher Therapie nicht, ist eine Anpassung von Prismen oder eine Augenmuskeloperation im Verlauf zu erwägen.
Schielen: Diagnose bei uns
Unser Team aus erfahrenen Orthoptistinnen können eine Schielstellung bereits im Babyalter diagnostizieren, auch die Sehschärfeprüfung kann mit speziellen Tests (Preferential looking Methode) bestimmt werden. Augenärzte und -ärztinnen sowie Orthoptistinnen können eine Refraktionsbestimmung mit Augentropfen vornehmen um die Brillenglasstärke zu bestimmen und eine Untersuchung des Auges vornehmen. Bei älteren Kindern und Erwachsenen können wir in der orthoptischen Abteilung eine exakte und ausführliche Messung des Schielwinkels in allen Blickrichtungen vornehmen, was die Diagnostik einer Augenmuskellähmung erleichtert. Unsere Orthoptistinnen und Ärzte/ Ärztinnen sind im Bereich der Neuroophthalmologie (Auge und Gehirn) ausgebildet, damit Schielen als Zeichen einer Erkrankung frühzeitig erfasst und eine Behandlung erfolgen kann. Wir legen grossen Wert auf eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen am USZ, dem Kinderspital und den Rehabilitationszentren.